Schriften des Bundesverbands freiberuflicher Kulturwissenschaftler, Band 2

Dokumentation und Innovation bei der Erfassung von Kulturgütern

Herausgegeben von Elisabeth Ida Faulstich und Andrea Hahn-Weishaupt

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Invent für Hessen - ein Datenbanktool zur Inventarisation an Museen

Von Dr. Wolfgang Fritzsche

Bitte beachten Sie diesen aktuellen Hinweis des Autors:

Die Weiterentwicklung und der Vertrieb von Invent für Hessen wurde inzwischen eingestellt.

Die Museumslandschaft - nicht nur in Hessen - ist äußerst disparat. Neben einigen hauptamtlich geleiteten Landesmuseen bestehen kommunale Museen ebenso wie Kreis- und Stadtmuseen. Die überwiegende Mehrzahl sind jedoch "Heimatmuseen". Ebenso unterschiedlich wie die Trägerschaft ist die finanzielle Ausstattung und die personelle Besetzung. Während die anfallenden Arbeiten in den erstgenannten Häusern durch hauptamtliches, wissenschaftlich ausgebildetes Personal durchgeführt werden, stehen die "Heimatmuseen" in aller Regel unter der Leitung ehrenamtlicher Kräfte, zumeist organisiert in Vereinen. Das ist auch gut so, denn ohne die vielen Heimat-, Geschichts- und Museumsvereine gebe es keine derart vielfältige Museumsszene.

Der Nachteil liegt aber auf der Hand: Nicht alle der für ein Museum geforderten Aufgaben werden mit der notwendigen Kontinuität durchgeführt. Hierzu zählt in erster Linie die Erfassung des eigenen Bestandes. Zwar gibt es in (fast) jedem Museum jemanden, der weiß, welche Exponate vorhanden sind, wo sie ausgestellt sind und welche Objektgeschichte damit verbunden ist. Doch ist dieses Wissen in aller Regel nicht schriftlich festgehalten.

Um die Bestandserfassung und Dokumentation der Objekte gerade an ehrenamtlich geleiteten Häusern zu fördern, hat der Hessische Museumsverband 1990 das "Sonderprogramm Inventarisation" ins Leben gerufen. Ziel dieses zunächst an acht ausgewählten Häusern durchgeführten Programms war es, Arbeitsmittel zu entwickeln, die den angeschlossenen Museen anschließend zur Hand gegeben werden sollten. Dazu gehörte eine Bibliographie zur Inventarisierung im Museum, eine Systematik und eine entsprechende Inventarkarte Kulturgeschichte. Aus vielfältigen Gründen entschied sich der Verband damals gegen den prinzipiellen Einsatz von Datenbanken als Erfassungshilfe.

Die wichtigste Handreichung dabei ist die Systematik ¹, die bestimmte Vorgaben zu erfüllen hat: sie muss in erster Linie als Arbeitshilfe für die Museen des Verbandes dienen. Zudem war sie so einfach anzulegen, dass auch ehrenamtliche, zumeist mehr oder weniger ungeschulte Personen damit umgehen konnten. Außerdem sollte sie sich auf kleine und mittlere Museen mit einem weitgehend heterogenen Sammlungsbestand beziehen und schließlich orientiert sie sich am Sammlungsbestand hessischer Museen. Das heißt, regionale Gegenstandsbeispiele, wie Hochseefischerei oder alpine Bergrettung fehlen, können aber bei Bedarf eingearbeitet werden.

Die Systematik besteht im wesentlichen aus einem dreigliedrigen, hierarchischen Ordnungssystem, das sich in Bereich, Sachgruppe und Untergruppe unterteilt. Jeder dieser drei Ebenen sind Ziffern zugeordnet. Die Zusammensetzung dieser drei Zahlen sowie eine fortlaufende Objektziffer ergeben die eindeutige Inventarnummer.

Zur Verdeutlichug soll beispielhaft ein Teelöffel inventarisiert werden: Aus den derzeit 18 vorgegebenen Bereichen ist der Bereich "3 Hauswirtschaft" auszuwählen. Dort findet sich unter den Sachgruppen "2 Essen und Trinken". Diese Sachgruppe unterteilt sich wiederum in einzelne Untergruppen, von denen " 4 Eßbesteck" für das gewählte Beispiel zutrifft. Innerhalb dieser Sachgruppe finden sich nun sogenannte "Gegenstandsbeispiele", die fortlaufend durchnummeriert werden. Da es sich um den ersten zu inventarisierenden Teelöffel handelt, also das erste Gegenstandsbeispiel aus dieser Kategorie, erhält er die Nummer 1. Die Inventarnummer dieses Löffels lautet folglich 3.2.4.1.

Der Vorteil der Systematik liegt auf der Hand: Allein durch die Zuordnung zu den drei Ebenen ergibt sich eine eindeutige Inventarnummer. Eine mögliche Fehlerquelle liegt einzig in der fortlaufenden Nummerierung der Objekte.

Ein weiterer Vorteil der Systematik ist, dass sie erweiterbar ist, denn das offene Ziffernsystem lässt an jeder Stelle individuelle Ergänzungen zu. So wurde beispielsweise festgestellt, dass sich in vielen "Heimatmuseen" Hessens auch archäologische Objekte finden lassen. Zwar stellt der Hessische Museumsverband eine eigene Karteikarte "Archäologie" zur Verfügung, diese setzt aber an vielen Stellen Fachwissen voraus. Daher wird die Systematik derzeit um diesen Bereich so erweitert, dass auch Laien die Erfassung der zahlenmäßig zumeist begrenzten Exponate durchführen können.

Mit dieser Systematik gelang es bundesweit erstmalig ein Arbeitsmittel anzubieten, das es einer Vielzahl unterschiedlicher Museen ermöglicht, ihre Bestände zu erfassen. Mittlerweile wird sie nicht nur in 2/3 der Mitgliedshäuser des Hessischen Museumsverbandes, sondern auch bundesweit eingesetzt. Auf der Internetseite www.museumsvokabular.de wird sie als eine von 10 Systematiken angeboten, von denen allerdings nur drei als allgemeingültig anzusehen sind. ²

Im Rahmen eines Inventarisierungsprojektes an einem Museum griff der Verfasser auf die Hessische Systematik zurück. Da der Auftraggeber aber die Inventarisation an die Eingabe in die EDV verknüpfte, begann die Suche nach einer geeigneten Datenbank.

Auf ihrer Internetseite bot die Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg seinerzeit den kostenlosen Download des Inventarisierungstools Johann@Hilf an. ³ Dieses Tool basiert auf der weit verbreiteten Datenbank Microsoft Access und bot eine Erfassungsmaske, die die Ansprüche weitgehend erfüllte. Als Problem erwies sich aber schnell, dass dieses Tool nur sehr bedingt in Kombination mit der besagten Systematik einsetzbar war. Das größte Hindernis war die ermittelte Inventarnummer, die zunächst auch in der EDV doppelt gespeichert werden konnte, vor allem aber, dass die zuletzt vergebene Nummer von Hand eingesetzt werden musste. Nach Eingabe einer Vielzahl von Weingläsern und einer nicht minder geringen Zahl an Fassriegeln musste mühsam die zuletzt für ein Weinglas ermittelte Inventarnummer gesucht werden, um dann in dieser Objektgruppe fortzufahren. Folglich wurde die Erfassungsmaske um die drei hierarchischen Ebenen der Systematik erweitert und die Ermittlung der Inventarnummer automatisiert. Nachdem der Nutzer die drei Felder "Bereich, "Sachgruppe" und "Untergruppe" ausgefüllt und ein Objekt benannt hat, vergibt die Datenbank nun selbständig die numerisch richtige Inventarnummer. Schließlich wurden der Eingabemaske Felder hinzugefügt und vorhandene umbenannt, um eine möglichst große Annäherung an die Karteikarte des Hessischen Museumsverbandes zu erlangen.

Nach ersten Testläufen im Zuge einer eigenen Inventarisation, konnte mit dem Philipp-Reis-Haus in Friedrichsdorf ein Museum gefunden werden, das die Datenbank unter realen Bedingungen einsetzte und testete. Die dort gewonnenen Erfahrungen und Anregungen flossen selbstverständlich in die Weiterentwicklung ein. Seit Anfang des Jahres 2004 wird das modifizierte Tool unter dem Namen "Invent für Hessen" für 99 Euro vertrieben.

Das Datenbank-Tool richtet sich ausdrücklich an Personen, die keine oder nur wenig Erfahrung mit Datenbankerfassungen haben. Daher wurde auf die Erweiterung mit weiteren Features verzichtet.

Öffnet der Nutzer die Anwendung, so erscheint zunächst ein Startbildschirm, der drei Bearbeitungsmodi ermöglicht: die Erfassung, die Suche im Datenbestand und die Suche mit Korrekturmöglichkeit.

Der Startbildschirm

Abb. 1

Der Startbildschirm

Die drei dahinter angeordneten Masken sind identisch aufgebaut und unterscheiden sich ausschließlich in Farbe und der Möglichkeit, Änderungen vorzunehmen.

Die Erfassungsmaske ist rot angelegt. Nach Auswahl von Bereich, Sachgruppe, Untergruppe und der Objektbezeichnung wird die Inventarnummer angezeigt. Die Maske unterteilt sich wiederum in vier verschiedene Blätter, die die Grunddaten, die Beschreibung des Objektes, Verwaltungsdaten und ein Bild enthalten. Analog zur Karteikarte "Kulturgeschichte" des Hessischen Museumsverbandes können nun die einzelnen Felder ausgefüllt werden. Dabei wurde auf den Einbau von Thesauri bewusst verzichtet, um nicht durch Vorgaben die Vielfalt der möglichen Eingaben einzuschränken. Ausgenommen hiervon wurde das Feld "Datierung". Hier kann aus den Begriffen "1. Hälfte", "2. Hälfte", "Mitte", "um" und "zirka" ausgewählt und der entsprechende Zeitraum hinzugefügt werden. Die beiden Vorgaben "um" und "zirka" sind im mitgelieferten Handbuch erläutert und bezeichnen fest definierte Zeiträume. An dieser Stelle erschienen die Vorgaben als sinnvoll, weil gerade die beiden letztgenannten Begriffe sehr subjektiv belegt sind und bei Suchabfragen zu falschen oder unvollständigen Ergebnissen führen könnten. Der Zeitraum der Objektdatierung kann mit den beiden gesonderten Feldern "von" und "bis" weiter eingeschränkt werden. Dies bietet gerade dem ungeübten Nutzer eine weitere Möglichkeit der Suchabfrage: Ist er sich über den Entstehungszeitraum des Objektes nicht im Klaren, kann er als Suchabfrage eingeben "suche alle (oder bestimmte) Objekte aus dem Zeitraum kleiner als im Feld "bis" und größer als im Feld "von" eingetragen".

Zwei weitere Felder sind mit Auswahlmöglichkeiten hinterlegt: das Feld "Erwerbsart" gibt als Auswahl die gängigen Wege vor, auf denen ein Objekt in das Museum gelangen kann, wie "Kauf", "Schenkung", "Stiftung", "Leihgabe" oder "Dauerleihgabe", um nur einige zu nennen. Trifft keine der Vorgaben zu oder befindet sich ein Objekt schon so lange im Museum, dass niemand mehr sagen kann, wie es zur Sammlung gelangte, kann zudem der Begriff "Altbestand" ausgewählt werden.

Das Eingabeformular

Zum Vergrößern auf das Bild klickenAbb. 2

Das Eingabeformular

Ebenfalls mit Vorgaben hinterlegt ist das Feld "Erhaltung". Hier kann zwischen "sehr gut", "gut", "mittel" und "schlecht" ausgewählt werden. Auch diese Begriffe sind im Handbuch erläutert.

Zwei Felder sind in der Maske zu finden, die nicht auf der Karteikarte "Kulturgeschichte" vermerkt sind: "Schlagwörter" und "Projekt". Während das erste beliebige Schlagwörter beinhalten kann, die dem Exponat zuzuordnen sind, kann im Feld "Projekt" bereits bei der Inventarisation ein mögliches künftiges Ausstellungsprojekt bezeichnet werden.

Ebenfalls nicht auf der Karteikarte vorgesehen ist ein kleines Feld, das durch anklicken markiert werden kann. Dieses Feld dient in erster Linie dazu, bei Suchabfragen bestimmte Datensätze zu markieren. Sind alle gewünschten Objekte markiert, ist ein gesonderter Ausdruck möglich.

Die Einbindung eines Bildes in die Bildschirmdarstellung ist vorgesehen. Der entsprechende Bildpfad ist bereits vorgegeben und der künftige Bildname wird durch ein "x" angezeigt. Wird bei der Dateneingabe das "x" durch den Bildnamen, empfohlen wird die Inventarnummer, ersetzt, so verknüpft die Datenbank automatisch das Bild mit dem Datensatz und zeigt es bei der nächsten Aktualisierung an.

Die Suchmaske ist grün und dient nach der Inventarisation für die Suchabfragen. Alle Felder dieser Maske sind geschützt, das heißt, hier können keine Änderungen vorgenommen werden. Der Einbau dieser Maske erwies sich als notwendig, weil gerade das Suchen in den Datenbeständen ein großes Risiko für versehentliche Änderungen, vor allem unbeabsichtigtes Löschen, birgt. Nicht schreibgeschützt ist das in dieser Maske wichtige Markierungsfeld, mit dem die ausgewählten Exponate markiert werden. Das Arbeiten auf dieser Ebene ist folglich auch für unerfahrene Anwender völlig ungefährlich.

Die Suchmaske mit Korrekturmöglichkeit ist gelb. Außer in den Feldern "Bereich", "Sachgruppe", "Untergruppe", "Gegenstand" und "Inventarnummer", den wichtigsten objektbezogenen Daten, können alle anderen Angaben beliebig geändert werden.

Suchformular mit eingebundenem Bild

Zum Vergrößern auf das Bild klickenAbb. 3

Suchformular mit eingebundenem Bild

Zusammenfassung

Das Datenbank-Tool "Invent für Hessen" richtet sich in erster Linie an ehrenamtliche, im Umgang mit EDV-gestützter Inventarisation wenig erfahrene Mitarbeiter von Museen mit einem heterogenen Sammlungsbestand, deren finanzielle Ausstattung zudem oft nur sehr begrenzt ist. Basierend auf Microsoft Access und der Entwicklung "Johann@Hilf" der Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg wurde es speziell auf die Systematik des Hessischen Museumsverbandes ausgerichtet. Im Lieferumfang sind die Bedienungsanleitung, Erfassungsregeln, die die einzelnen Felder erläutern, sowie eine digitalisierte Fassung der Systematik enthalten. Im Bedarfsfall kann zusätzlich eine Schulung, die sowohl die Systematik, als auch die Inventarisation zum Inhalt hat, vereinbart werden.

Anmerkungen

1) Systematik zur Inventarisation kulturgeschichtlicher Bestände in Museen.
Zu beziehen über den Hessischen Museumsverband, Kölnische Straße 44-46,
34117 Kassel.

2) museum.zib.de/museumsvokabular/index.php?main=download&ls=9&co=we
(18. Oktober 2007, 10.00 Uhr).

3) www.landesstelle.de/html/deutsch/inventarisierung/johann_hilf/johann_hilf.php
(18. Oktober 2007, 10.30 Uhr).

 

Kontakt

Dr. Wolfgang Fritzsche
AHB Kulturwissenschaftliche Dienstleistungen
Nürnberger Straße 9
65462 Ginsheim-Gustavsburg
Tel.: 06134 - 75 77 61
Mail: info@a-h-b.de
Homepage: www.a-h-b.de

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